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You Say – ein langer Weg

Wie entsteht ein Song? Was ist der Weg von der ersten Idee bis zum letztendlichen Ergebnis, hinter dem eine ganze Band steht, mit dem jeder Musiker zufrieden ist, in dem sich jeder wieder findet und weiß, dass er dem Stück den einen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt hat, der es zu einem Pat Ternman Stück macht?

Beginnen wir, wie bei den meisten guten Geschichten, einfach von vorne.

Jemand setzt sich an ein Instrument und spielt einfach drauf los. Leider gibt es von diesem Moment noch keine Aufnahme, keinen Ton oder Videodokument. Kein Probenmitschnitt, keine Rohversion eines Songs – aber den Moment einige Zeit später findet man noch in Chats festgehalten, wo Pat seine erste Idee rumgeschickt hat (Oktober 2020 – man muss es nicht ganz anhören… irgendwann kommt nichts Neues mehr).

Bis auf die Hook Line „You Say“ noch komplett ohne Text – und nebenbei bemerkt: Das sollte auch noch lange so bleiben. Ich glaube, Pat hat das damals einfach mit GarageBand in sein iPhone reingehauen, den „Teilen“-Knopf gedrückt und mal abgewartet, was wir anderen so sagen. Es war die Corona-Zeit, und ich habe keine Ahnung mehr, in welcher Phase der Kontaktbeschränkungen wir da gerade waren und ob wir überhaupt zusammen proben konnten. Aber irgendwann kam dann das Signal von allen – „Ja, lass mal anschauen und machen“, was Pat dazu bewogen hat, mir eine Liste von Akkordsymbolen zuzuschicken, dadrunter noch die halbwegs ausnotierte Basslinie und mit der Aufgabenstellung: „Mach mal eins von deinen Erklärbärvideos, das Demo haste ja… dann haben wir die Einzelteile zur nächsten Probe drauf.“

Hier also ich beim Live-Dechiffrieren der Patschen Hieroglyphen… (Januar 2021)


Gemeinsames Fazit dann… ja, nett. Aber da fehlt noch etwas, irgendein Teil, nennen wir ihn Refrain… Pat, denk dir etwas aus – zurück ans Reißbrett. Im März kommt dann die nächste Nachricht von Pat: „Hab was, musste leider leise singen, Frau schläft, will die nicht stören. Aber die Breaks und Fills werden euch gefallen! Welches Tempo hatten wir noch beim letzten Mal!? Auch egal… ich plane das als Ballade!“

Ab Zeitstempel 0:55 erklingt das erste Mal das, was Pat euphemistisch Refrain nennt, auf einer Aufnahme („Und jetzt alle!!!“)

Proben konnten wir damals bloß nicht… Kontaktbeschränkungen. Diese waren auch der Grund dafür, dass Videokonferenzen und die dazu nötige Software immer leistungsfähiger wurden und auch speziell für Musiker gedachte Tools mit geringeren Latenzen entwickelt wurden, die wir dann auch versuchten zu nutzen. Die freie Software Jamulus war da unsere Pest – was die dazugehörige Cholera als Alternative war, weiß ich gerade nicht mehr. Latenzen zwischen den einzelnen Musikern einmal zum Mond und zurück. Blickkontakt war natürlich auch nicht möglich. Dazu war immer mindestens ein Bandmitglied entweder gar nicht oder doppelt in der Session. Der Releasezyklus der Software hatte solch eine Frequenz, dass bei jedem Probenanfang immer jemand ein vorab versäumtes Update fahren musste, weil sonst gar nichts ging – in diesem Sinne muss das nun folgende Tondokument der Pat-Ternmanschen-Bandgeschichte gesehen werden – aber! Hier entsteht im Juli 2021 das Intro des Stücks.

Das noch frohe, erwartungsvolle Einzählen von Jens wird gefolgt von einer rhythmischen Kakophonie, die ich gnädigerweise schnell ausblende, aber Pat war nach der Probe schon überzeugt: „Das wird gut!!“ Wir waren uns damals nicht so sicher… aber da wir ja eh nicht richtig proben konnten, hat jeder von uns mal seinen Teil ein bisschen sauberer eingespielt und aufgenommen – und dann kam nur zwei Wochen später (Juli 2021) das hier als Demo raus.

Okay… allgemeiner Tenor: So allmählich wird das was.

Schnell war dann der Entschluss gefasst, dass das eines der nächsten Stücke werden würde, die wir richtig aufnehmen wollten. Abläufe wurden noch mal glattgezogen und durchgesprochen: Wer macht wo Background, wer spielt das Solo, welcher Keyboardsound (ich), welche Snare (Jens), welcher Bass (Bernd), Pat an der Gitarre dazu oder nicht, bis einer aus der Band, ich glaube, es war Bernd, eine kleine aber entscheidende Frage an Pat stellte:

  • Bernd: „Was singst du da eigentlich? Ich meine… so als Text?“
  • Pats Antwort: „Das, was mir gerade einfällt. Das Ganze ist geplant als ein freier, kreativer, immer wieder absolut spontaner Prozess, den ich nicht durch klar kalkulierte, aufgeschriebene, notierte Buchstaben, Silben oder gar Wörter beeinflussen möchte. Das kommt alles aus dem ‚Jetzt‘ heraus. Auch würde mich das Memorieren einer festen lyrischen Struktur daran hindern, den Gesang und die dazugehörende zu vermittelnde Aussage des Liedes wirklich zu fühlen und das Alles in den Moment zu übertragen!“
  • Jens: „Ähm, ich will dir nicht zu nahe treten, aber ich meine: ‚dee-dwuuu-diii-döööö-döb‘ zu hören!“
  • Pat: „Ja, aber nur jedes zweite Mal! Genial, oder!?“

Der sich darauf anschließenden, durchaus hitzig zu nennenden Grundsatzdiskussion fiel dann die weitere Planung des Aufnahmeprozesses erstmal zum Opfer – gefolgt von dem gemeinsamen Entschluss: Ein Text muss her. Die Schlüsselzeile „You Say“ musste nach Pats Willen und allgemeinem Dafürhalten bleiben. Zuerst schien es auch ganz leicht zu sein; muss man doch nur beschreiben, was jemand (halt „You“) sagt (halt „Say“). Nicht ganz klar war dann allerdings, wer dieser „You“ denn nun ist und zu wem dieser „You“ eigentlich was, aus welchem Grund, in welchem Tonfall, wann sagt – und dies auch noch so verteilt auf eine vorgegebene Melodie, dass es zumindest halbwegs einen Sinn ergab.

Ein weiteres Problem war, dass jede angedachte Textzeile vom Lautbild einfach anders klang als das gewohnte wohlklingende „dee-dwuu-diii-dööö-döb“ und ein „anders“ ist nach jedem vorher verlaufenem Gewöhnungsprozess erstmal „nicht gut“. Ich erinnere mich sogar an schlimmere Ausdrücke.

Im Januar 2022 – immerhin ein halbes Jahr und viele Textzeilen später – kam es dann zum nächsten Versuch, das Stück aufzunehmen. Man konnte sich mittlerweile wieder regelmäßig treffen, und auf den Proben wurde aus Gewohnheit immer noch mit dem guten alten Text („dee-dwuu-diii-dööö-döb“) gesungen. Hier mal ein Livemitschnitt aus dem Probenkeller vom November 2021.

Die Aufnahmeversuche endeten dann im Februar 2022 in einem völligen Desaster. Nichts passte, nichts stimmte, keiner mochte die Ergebnisse. Es war an der Zeit, das Lied einfach wegzupacken und zu vergessen. Schleife drum, Klappe zu, weg damit, das wars – totgespielt. Schade drum… bis…

… bis wir in diesem Jahr noch irgendein groovigeres Lied für einen Gig brauchten, und jemand „You Say“ ins Mikro brummte. Und auf einmal dann aus all den Textfragmenten des letzten Jahres, den Melodiefetzen, die man alle mal ausprobiert hatte, den Breaks und Grooves, die im Laufe der Entstehungsgeschichte des Liedes mal angespielt, wieder vergessen, wieder hervorgeholt und wieder verworfen wurden, dies hier entstanden ist.

Kattmann, Jens: Drums, Backing Vocals, Sound Collage and Mixing
Klose, Bernd: Bass, Lead and Backing Vocals
Scheuch, Oliver: Keys, Lead and Backing Vocals, Sound Collage
Ternman, Pat: Hat sich bei den Aufnahmen kein einziges Mal sehen lassen

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